Submodellierung – Vom Deutschland- zum Standortmodell

Das im Rahmen des SpannEnD-Projekts entwickelte großskalige Deutschlandmodell (Ahlers et al., 2021, 2022) integriert verfügbare Spannungsinformationen und liefert eine Prognose erster Ordnung zum 3D-Spannungszustand im Untergrund Deutschlands. Bei der Analyse der geomechanischen Eignung bestimmter Regionen Deutschlands oder spezifischer Standorte für ein Endlager für nukleare Abfälle ist es vorteilhaft, die Ergebnisse des Deutschlandmodells zu verwenden, da Spannungsdaten in der Regel nur spärlich verfügbar sind. Dafür ist es allerdings notwendig die Spannungen aus dem großskaligen Modell auf kleinräumige Modelle zu übertragen. Die Technik, mit der diese Aufgabe bewältigt wird, wird als Submodellierung bezeichnet.

Entwicklung von Submodellierungstechniken zur Verknüpfung unterschiedlicher Modellskalen

Ein zentrales Problem bei der geomechanischen Modellierung besteht darin, dass auf lokaler Ebene (von einigen zehnern Kilometern) die für die Modellkalibrierung erforderlichen Spannungsmagnituden selten verfügbar sind. Eine mögliche Lösung ist, zwei aufeinanderfolgend kalibrierte Modelle zu erstellen: Ein großräumiges Modell mit grober Auflösung (Stammmodell) und ein lokales Modell mit feiner Auflösung (Zweigmodell). Das großräumige Stammmodell (in der Abbildung auf der linken Seite) wird mit Spannungsmagnituden-Daten kalibriert und liefert entweder Verschiebungsrandbedingungen oder synthetische Kalibrierungsdaten für das kleinräumige hochauflösende Zweigmodell, die für die Kalibrierung des Zweigmodells verwendet werden können.

Das Stammmodel (Root model) wird mit Spannungsmagnituden-Daten (grüne Sterne) kalibriert und liefert entweder Verschiebungsrandbedingungen oder synthetische Kalibrierungsdaten (grüne Punkte) für das Zweigmodell (Branch model).

Tests mit generischen Modellen zeigen, dass beide Methoden (Verschiebungsrandbedingungen und synthetische Kalibrierungsdaten) zu ähnlichen Ergebnissen führen, wobei die Verwendung synthetischer Kalibrierungsdaten etwas besser ist. Ein Vergleich mit einem Referenzmodell zeigt, dass die Verwendung von Verschiebungsrandbedingungen zu einer Abweichung von 2,3 % gegenüber dem Referenzmodell führt, während die Verwendung synthetischer Kalibrierungsdaten eine Abweichung von 1,9 % ergibt. Voraussetzung ist dabei, dass die elastischen Gesteinseigenschaften an den Positionen der synthetischen Datenpunkte im Stamm- und Zweigmodell identisch sind.

Entwicklung von Modellierungstechniken zur Anpassung der mechanischen Eigenschaften an den Modellmaßstab

in progress

Erstellung eines geomechanischen Modells für das Teilgebiet 001 und Erprobung der Submodellierungstechniken

Die Submodellierung wird verwendet, um den Spannungszustand vom Deutschlandmodell (Ahlers et al., 2022) auf ein regionales Modell eines Standortgebiets zu übertragen. Dieses regionale Standortgebietsmodell umfasst den bis zu 300 Meter mächtigen Opalinus-Ton aus dem mittleren Jura liegt (siehe Abbildung a) als mögliches Wirtsgestein. Das Untersuchungsgebiet liegt zwischen Baden-Württemberg und Bayern, in der Schwäbischen Alb und im Molassebecken, und umfasst das Teilgebiet 001 (001_00TG_032_01IG_T_f_jmOPT). Die geologische Geschichte umfasst Sedimentation, tektonische Senkung und Hebung vom Trias bis zum Känozoikum über einem permokarbonischen Grundgebirge aus Gneisen und variszischen Graniten, die im Schwarzwald und im Böhmischen Massiv zutage treten. Der Opalinus-Ton, der als Zielformation für ein potenzielles Endlager für radioaktive Abfälle in Frage kommt, wurde im mittleren Jura abgelagert und besteht aus sandigem bis schluffigem Tonstein mit dünnen, zwischengelagerten karbonatreichen Schichten (Nagra, 2002).

Übersicht über den Submodellierungs-Workflow des Teilgebiets 001. (a) Für ein Endlager für radioaktive Abfälle geeignete Teilgebiete, farblich hervorgehoben entsprechend der Art des Wirtsgesteins (BGE, 2020). (b) Schematische Darstellung des Submodellierungsansatzes (c) Geometrie der Submodelle, die mit einer Software zur Modellierung von Kohlenwasserstofflagerstätten in Becken erstellt wurden.

Erstellung eines geomechanischen Modells für einen Teilbereich des Teilgebietes 009 inkl. Submodellierung

Wie für das Teilgebiet 001 dient die Submodellierung dazu, den Spannungszustand aus dem Deutschlandmodell (Ahlers et al., 2022) auf ein regionales Modell eines Teilgebiets zu übertragen. Als Beitrag zur Methodenentwicklung konzentriert sich das Modell auf einen Teil des Teilgebiets 009 (Teilgebiet 009_00TG_194_00IG_K_g_SO). Dieses regionale Teilgebietsmodell befasst sich mit kristallinem Wirtsgestein. Aufgrund der Größe des Teilgebiets 009 deckt das Modellgebiet nicht die gesamte Region ab (siehe Abbildung). Das Modellgebiet wurde so gewählt, dass es den Standort der Kontinentalen Tiefbohrung der Bundesrepublik Deutschland (KTB) mit einem einzigartigen Satz geowissenschaftlicher Daten umfasst. Darüber hinaus wird das Modell in Richtung Nordosten erweitert, um ein bestehendes geologisches Modell des Erzgebirges einzubeziehen. Details zur Modellgeometrie sind im Zwischenbericht 09/2023 dargestellt.

Oben: Kartenansicht des Modells für das Teilgebiet 009 (Hintergrundkarte: Googlemaps.com). Unten: Modellgeometrie vor der Diskretisierung. Die Unterteilung in verschiedene laterale und vertikale Volumina ist farblich gekennzeichnet. Deutlich zu erkennen ist das Gebiet des deutschen Kontinentaldiebohrprogramms (KTB) als Quadrat nahe der südöstlichen Ecke des Modells.

Das Ergebnis des Modellszenarios, das synthetische Kalibrierungsdaten aus dem Deutschlandmodell verwendet und den multiskaligen Submodellierungsansatz nutzt, weicht von den Modellszenarien ab, die Daten aus der KTB und dem Falkenberg-Bohrloch für die Modellkalibrierung verwenden. Dies ist jedoch kein Mangel der Submodellierungstechnik, sondern auf die schlechte Abdeckung mit Kalibrierungsdaten zurückzuführen. Darüber hinaus handelt es sich bei den Daten aus Falkenberg um sehr flache Daten, die nicht sehr gut zur vertikalen Modellauflösung passen. Dies unterstreicht die Bedeutung der Auswahl geeigneter Kalibrierungsdaten.

Skalenabhängigkeit von Spannung und Gesteinseigenschaften

In erster Linie hängen Spannungen im Gestein von den einwirkenden Kräften und den elastischen Eigenschaften des Gesteins ab. Gemessene Spannungen sowie elastische Eigenschaften sind skalenabhängig. Das liegt daran, dass natürliches Gestein aus räumlich variablen Anteilen verschiedener Mineralarten besteht, Einschlüsse unterschiedlicher Größe enthalten oder variierende Porositäten enthalten kann. Desweiteren kann es Brüche unterschiedlicher Ausrichtung und Reibungseigenschaften aufweisen oder aus abwechselnden Schichten unterschiedlicher Gesteinsarten bestehen kann. Typische Messmethoden sowohl für Spannungen als auch für elastische Eigenschaften erfordern einen bestimmten Mindestmaßstab, um einen Wert abzuleiten (z. B. ~1 m für Hydrofracking-Tests und etwa zehn Zentimeter für statische Druckversuche) und oft werden die Messungen an Orten durchgeführt, die für die Messmethode geeignet sind. Zum Beispiel, ermöglichen Hydrofracking-Tests in steifen Gesteinseinheiten eher die Ausbildung geeigneter Brüche als in vorbeschädigten Abschnitten oder in Einheiten mit geringer Festigkeit und ein intaktes Gestein erleichtert die Vorbereitung der Gesteinsproben und ermöglicht reproduzierbare Ergebnisse für Druckversuche. Daher stellen Messungen von Spannung und elastischen Eigenschaften im Allgemeinen einen integrierten Wert über die Messskala dar oder sind aufgrund des für die Messungen gewählten spezifischen Ortes verzerrt. Es wurden mehrere Ansätze verwendet, um den Einfluss inhomogener Gesteinseigenschaften auf die Spannung zu bewerten.  

A) Statistische Verteilung von Gesteinssteifigkeiten im Raum

Der Elastizitätsmodul wird statistisch verteilt in einer Gesteinsschicht definiert, wobei eine Chi-Quadrat-Verteilung mit einem Mittelwert zugrunde gelegt wird. Die resultierende horizontale Spannung entlang eines vertikalen Profils schwankt um den Spannungsverlauf, der für einen homogenen Elastizitätsmodul des Mittelwerts der Verteilung abgeleitet wurde. Die Abweichung beträgt in den getesteten Fällen bis zu 7 %, ist jedoch im Durchschnitt deutlich geringer. Die Abweichung hängt von der Elementgröße ab, wobei größere Elemente größere Abweichungen aufweisen.

B) Statistische Verteilung der Gesteinssteifigkeit in Wechsellagerungen

Es wird eine Abfolge horizontal geschichteter Einheiten betrachtet, bei der die Gesteinssteifigkeit den einzelnen Schichten statistisch gemäß einer um einen Mittelwert zentrierten Chi-Quadrat-Verteilung zugewiesen wird. Es wurde eine maximale Abweichung von 21 % der maximalen horizontalen Spannung (SHmax) in Bezug auf die Spannung in einer homogenen Gesteinssäule abgeleitet. Die Gruppierung benachbarter Schichten mit einer Steifigkeit, die ihrem Mittelwert entspricht, führt zu einer Verringerung der Abweichung in Bezug auf die Spannung in einer homogenen Gesteinssäule, kann jedoch zu Abweichungen in Bezug auf die Daten führen, für die das Modell ursprünglich unter Berücksichtigung der detaillierten Stratigraphie kalibriert wurde.

C) Mischgesetze für effektive elastische Medien

Die selbstkonsistente Methode wird verwendet, um effektive Elastizitätskonstanten für Einschlüsse mit variabler Form, Volumenverhältnis und Steifigkeitsabweichung zwischen dem Einschlussmaterial und dem Matrixmaterial zu berechnen. In einem Beispiel sinkt der Elastizitätsmodul um 45 %, wenn ein konsolidierter Sandstein 5 % flache Tonlinsen mit geringer Steifigkeit enthält.

D) Multiskaliges Materialmodell

Der Mean-Field-Homogenisierungsansatz wird verwendet, um das mechanische Verhalten von Verbundwerkstoffen numerisch zu berechnen. Unter der Annahme einer sphärischen Porosität von 10 % verringert sich SHmax um bis zu 8 % im Vergleich zu Gestein ohne Porosität. Spalten, die durch pennyförmige Hohlräume mit sehr geringen Seitenverhältnissen dargestellt werden, können eine größere Rolle spielen, insbesondere für die minimale horizontale Spannung (Shmin). Je nach Ausrichtung der Spalten relativ zu den wirkenden Fernfeldkräften verringert sich SHmax um bis zu 36 % und Shmin um 20 % im Vergleich zum Fall ohne Spalten. Shmin kann auch bei anderen Ausrichtungen zunehmen. Eine zufällige Ausrichtung der Spalten reduziert SHma im getesteten Beispiel immer noch um 15 %. Diese Zahlen beziehen sich auf das mittlere Feld, in dem Dehnung und Spannung über das Verbundmaterial gemittelt werden. Die Spannung auf Mikroebene in den einzelnen Bestandteilen des Materials kann stärker variieren.

E) Verbundmaterial

Das Gelenkmaterialmodell wird verwendet, um die Auswirkungen von gebrochenem Gestein auf den Spannungszustand in Abhängigkeit von der Ausrichtung und den Reibungseigenschaften der Brüche zu erfassen. In einem Testfall wird Shmin um 8 % erhöht und SHmax um 3 % verringert, verglichen mit dem Fall ohne Brüche. In einem Trial-and-Error-Ansatz wurde abgeleitet, dass dies einer Verringerung des Elastizitätsmoduls um 10 % gegenüber dem intakten Gestein ohne Brüche entspricht.

Referenzen:

Ahlers, S., Henk, A., Hergert, T., Reiter, K., Müller, B., Röckel, L., Heidbach, O., Morawietz, S., Scheck-Wenderoth, M., and Anikiev, D.: 3D crustal stress state of Germany according to a data-calibrated geomechanical model, Solid Earth, 12, 1777–1799, https://doi.org/10.5194/se-12-1777-2021, 2021.

Ahlers, S., Röckel, L., Hergert, T., Reiter, K., Heidbach, O., Henk, A., Müller, B., Morawietz, S., Scheck-Wenderoth, M., and Anikiev, D.: The crustal stress field of Germany: a refined prediction, Geothermal Energy, 10, https://doi.org/10.1186/s40517-022-00222-6, 2022.

BGE: Zwischenbericht Teilgebiete gemäß § 13 StandAG: Stand 28.09.2020, 443 pp., 2020.

Nagra: Projekt Opalinuston – Synthese der geowissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse: Entsorgungsnachweis für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive sowie langlebige mittelaktive Abfälle, NTB, 02-03, 659 pp., 2002.